Sonntagsglück

Sonntag, Sonnenschein und gute Laune! Ich entschloss mich, eine Tour mit dem Fahrrad zu unternehmen. Schnell nahm ich noch die Wäsche im Trockenkeller ab und holte das Fahrrad aus meinem Kellerraum. Dann brachte ich den Korb mit der Wäsche zu meiner Wohnung. Verflixt! Das Schlüsselbund lag jetzt im Keller, und die Tür war ins Schloss gefallen. Es durfte nicht wahr sein! Ich klingelte bei den Nachbarn, beim dritten hatte ich Glück, er lieh mir kurz seinen Kellerschlüssel. Nun konnte ich doch noch losfahren. Vorher musste ich aber noch Luft in die Reifen pumpen, weil – wie so oft – der Reifendruck zu gering war.

Kurzärmlig, mit einer Weste über dem Pulli und einer Sonnenbrille auf der Nase fuhr ich los. Ich hatte mich völlig mit den frühlingshaften Temperaturen verschätzt, es war kühl und auch noch windig. Also umdrehen? Nein! Nach den ersten Kilometern ging es dann auch schon, mir wurde wärmer, weil ich ordentlich in die Pedalen trat. Neben mir fuhr langsam ein Motorradfahrer mit einer Frau als Sozius vorüber. In dem kleinen Beiwagen saß ein brauner Hund mittlerer Größe. Er war mit einem Hundegeschirr festgeschnallt und hatte eine – wohl für ihn extra angefertigte – Motorradbrille auf. Ich musste lachen, so was hatte ich noch nie gesehen. Dieser Hund saß dort mit erhobenem Kopf im Beiwagen, wichtig schaute er durch die kleine Plexiglasscheibe in Fahrtrichtung auf die Straße. Es fehlte ihm nur noch der Sturzhelm. Das Pärchen amüsierte sich über mein erstauntes Gesicht.

Als ich „über Land“ fuhr, entfernt von Hauptstraßen, entdeckte ich ein riesiges Tulpenfeld. Ich freute mich, dass ich meinen Fotoapparat dabei hatte. Die Sonne stand zwar etwas ungünstig zum Fotografieren, aber diese bunte Farbenpracht musste ich einfangen. Dann sah ich am Ende des Blumenackers Menschen stehen, die sich ein dort angebrachtes, beschriebenes Schild durchlasen. Ich hoffte, dass man sich selbst die Tulpen schneiden konnte. Mir fiel ein früherer Dänemarkurlaub ein. Es hatte mich total fasziniert, dass man dort von einem Tisch Ware nahm und dann das Geld auf einen Teller oder in eine Dose legte. Tatsächlich sah ich jetzt kleine Messer unter dem angebrachten Schild auf einem Bord liegen für die eigene „Blumenernte“. Eine Metallbox war für das Geld gesichert angebracht. Ich freute mich, dass ich passendes Kleingeld dabei hatte. Die lachsfarbenen Tulpen gefielen mir am besten, und ich schnitt mir einen großen Strauß.

Mit der Tulpenpracht im Fahrradkorb fuhr ich in Richtung Heimat. Ich kam noch bei einem Bäcker vorbei und kaufte mir ein großes Stück Marzipantorte. Die Kalorien hatte ich mir vorher ja schon abgearbeitet. Der Kaffee zum Kuchen schmeckte mir heute besonders gut.

Igelhochzeit



Endlich ist der lange Winterschlaf beendet. Jetzt bin ich aber hungrig! Wo ist noch die Stelle, an der es im April kurzfristig Futter gibt? Ich sprinte los, so schnell ich kann, schwups durch Hecken und Gärten – ach, da ist die Terrasse. Ja! Ich erinnere mich! Hallo, noch kein Futter da? Oh, die Tür geht auf, ich bekomme einen Tritt von einem nackten Fuß. Die Frau, die kenne ich schon vom letzten Jahr. Sie schreit auf:

„Aua, was hat mich denn da gestochen? Ach, ein Igelchen! Na, du? Bist du endlich aufgewacht? Ich habe schon immer geschaut, wann ihr zum Fressen kommt. Der Winter war so lang und hart. Einen Moment, ich bereite dir schnell eine Mahlzeit zu.“

Na, wird aber auch Zeit, mein Bäuchlein knurrt ganz laut. Es dauert nur einen Moment, dann ist sie wieder zurück. Das klappt ja prima, ganz so wie im letzten Jahr. Ich stürze mich voll ins Futter und fresse, so schnell ich kann. Dann trotte ich davon, um mir zum Nachtisch noch ein paar Käfer und Larven zu suchen. Ich höre noch, wie die Frau sagt:

„Wo ist eigentlich die hübsche Igeldame vom letzten Jahr? Habt ihr zusammen in einem Nest geschlafen und euch gewärmt? Sicher kommt sie auch bald.“
Das gibt es doch nicht, da kommt sie tatsächlich in diesem Moment angetippelt, läuft zu unserem Futterort und lässt sich die zweite zubereitete Mahlzeit schmecken. Mit diesem Igelweibchen hätte ich gern angebändelt, aber ich traue mich nicht. Oder ob ich es doch einfach mal wage? Ja! Ich will mutig sein!
„He du, bist du gut durch den Winter gekommen? Wie heißt du eigentlich?“
„Ich heiße Minni. Der Winter war schrecklich, fast einen Monat länger mussten wir schlafen. Wie heißt du denn?“
„Ich bin das Fritzchen, so hat mich die Frau getauft, als ich noch ganz klein war und fast verhungert wäre.“
„Mich hat sie auch gerettet, Fritzchen. Sie gab mir auch meinen Namen. Ist doch gut für uns, jetzt für unsere leeren Mägen ein paar Happen zu bekommen. Da es gestern geregnet hat, lassen sich die Regenwürmer gut aus dem Rasen ziehen. Hmmm, die sind lecker. Hast du Lust, mit mir zusammen essen zu gehen?“

Selbstverständlich habe ich Lust. Es wird richtig romantisch. Plötzlich haben wir den selben Wurm, jeder ein Ende von ihm, in den Mäulchen. Unsere Nasen stupsen aneinander. Schön, mir wird ganz warm. Anschließend bringe ich Minni nach Hause. Dort zeigt sie mir ihr warmes, weiches Nest unter einem dichten Gebüsch. Richtig gemütlich hat sie es sich gemacht. Hier könnten gut ein paar Igelkinder aufwachsen, so geschützt und mollig weich.

Wir gehen jede Nacht zusammen auf Nahrungssuche. Ich glaube, ich habe mich verliebt! Ob ich es Minni mal sage? Ich habe Angst, dass sie mich auslacht. Egal, es ist inzwischen Sommer, wenn wir Kinder haben wollen, wird es Zeit, damit sie bis zum Herbst groß genug sind für die lange Ruhezeit.

Abends treffen wir uns auf der Terrasse. Ich bin so aufgeregt! Minni berührt mich leicht mit ihren Stacheln. Ein Schauer läuft mir durch den Körper. Sie mag mich! Sie mag mich! Ich beginne sie zu umkreisen, das ist der Hochzeitstanz. Ganz still bleibt sie liegen und genießt es, dass ich um sie herum renne, immer und immer wieder. Ich komme völlig aus der Puste, schnaufe schon wie eine Lokomotive. Das muss aber alles so sein, ohne Werbung wird Minni mich nicht erhören, dann gibt es keine Hochzeit. Wie lange muss ich denn noch laufen?

Plötzlich öffnet sich die Tür. Die Frau kommt heraus, ihr grünes Nachthemd weht im Wind. Sie fuchtelt mit ihren Händen herum, die in gleichfarbigen Gummihandschuhen stecken. Nun greift sie mich und geht ein Stück durch den Garten. Bevor sie mich in das Gras setzt, sagt sie:
„Ihr müsst euch doch hier nicht raufen, ausgerechnet nachts auf meiner Terrasse, wenn ich schlafen will. Es ist furchtbar laut. Außerdem verletzt ihr euch womöglich.“

Ist die dumm? Weiß sie nicht, dass wir gerade heiraten wollen? Nun hat sie meine Braut Minni in den Händen und trägt diese ans andere Ende des Gartens. Was fällt der eigentlich ein? Ich bin empört. Am liebsten würde ich jetzt losrennen und ihr meine Stacheln in die Beine stechen. Aber, sie kann ja auch so freundlich sein. Schließlich bekommen wir immer Futter im Frühjahr. Im Spätherbst werden dann die Stachelkinder, wenn sie noch zu wenig Gewicht haben, um durch den Winter zu kommen, von ihr versorgt. Aber für heute ist mir jedenfalls die Lust vergangen.

In der nächsten Nacht treffe ich mich wieder mit Minni auf der Terrasse. Nach drei Stunden Hochzeitstanz heiraten wir, ganz ungestört.

Juli 2010